Geleemann, die Zukunft zwischen meinen Fingern

Szenenfoto, die vier Performer:innen stehen und sitzen in blauen Overalls auf der schwarzen Bühne, eine Bank steht links, eine weiße Tafel liegt am Boden, ein kleiner Baum in einem Erdfleck in der Mitte der Bühne
Foto:
Alexander Gotter

Eine Gefängniszelle in Wien. Ein Mann in Untersuchungshaft. Die Zeitungen berichten über den Inhaftierten als Einbrecher und Vergewaltiger. „Geleemann“ ist der Name, den die Medien ihm gegeben haben. Er ist iranischer Asylwerber und sieht sich selbst nicht als Verbrecher, sondern als Poet.
Seine Geschichte erzählt von der Sehnsucht nach Nähe und dem dringlichen Bedürfnis, gehört und verstanden zu werden. Täter und Opfer zugleich, entgleitet er immer wieder aufs Neue einem Urteil und setzt das Publikum einer unheimlichen Ambivalenz aus. Dabei fordert er ein, der Geschichte und dem gesellschaftlichen Verdrängen ins Gesicht zu schauen. Seine Perspektive ist erschütternd – aber auch seine Schlussfolgerung.
Das Stück erzählt von Gewalt, Ignoranz, systematischem Ausblenden und Wegschieben. In Zusammenarbeit mit der Regisseurin Maria Sendlhofer entsteht ein Abend, der sich einfacher Bewertungen entzieht und den Zusehenden den Umgang mit Widersprüchen abverlangt.

Der Geleemann ist „die personifizierte Projektionsfläche, auf der Vorurteile und Verdrängtes zum Vorschein kommen“, schrieb Der Standard. Regisseurin Maria Sendlhofer richtet ihre abstrakte Bühnensprache darauf aus: Sie arrangiert in der Produktion des Andromeda Theater Vienna vier Schauspieler*innen über mobile Projektionsleinwände: Philipp Auer, Johnny Mhanna, Clara Schulze-Wegener und Simonida Selimović. Diese sind abwechselnd echt oder projiziert zu sehen und verwischen die Trennlinien zwischen Opfer und Täter.

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Amir Gudarzi

Amir Gudarzi graduierte an der damals einzigen Theaterschule im Iran und absolvierte ein Studium in Szenischem Schreiben in Teheran. Seit 2009 lebt er unfreiwillig im Exil in Wien. 2017 gewann er den exil-Dramatiker*innenpreis, 2018 wurden sein Stück Arash // Heimkehrer am Theater Drachengasse in Wien sowie seine Performance The Knowledge Tree in Jerusalem gezeigt. Gudarzis Stück Die Burg der Assassinen wurde 2019 zum Stückemarkt des Berliner Theatertreffens eingeladen, 2020 waren sein Stück Geleemann im Werk-X Petersplatz in Wien und sein Stück Who cut the cake am Royal Court Theatre London als Teil des Living Newspaper-Projekts zu sehen. Amir Gudarzi erhielt zahlreiche Dramatik- und Literaturstipendien und war 2021 für den Retzhofer Dramapreis nominiert.