Seit Jahrhunderten hat das so genannte „Wildplakatieren“ in Wien große Tradition (das älteste noch erhaltene Wildplakat stammt aus dem Jahr 1778). Und ebenso lange ist es ein heiß umstrittenes Thema – so bedeuteten die „wilden“ Ankündigungen bereits zu Strauß’ und Nestroys Zeiten wertvolle Information für die einen und Verunstaltung des Stadtbildes für die anderen.
Mit dem 1. Jänner 2008 änderte sich die Situation schlagartig, als die Gemeinde Wien und die Firma Gewista ein Projekt vorstellten, das die Wildplakatierung eindämmen sollte: 70 bis 90% der Wildplakatierer:innen schlossen sich unter der Obhut der Firma Gewista zur Kultur:Plakat GmbH zusammen und wurden „legal“. Bis zu diesem Zeitpunkt war freies Plakatieren teilweise geduldet worden und hatte de facto eine „akzeptierte Grauzone“ dargestellt.
Die Folgen dieser Entscheidung für die Wiener Kunst- und Kulturszene sind schwerwiegend – die Monopolisierung des Plakatgeschäfts bedeutet nämlich eine Verarmung und Vereinheitlichung der Wiener Kulturlandschaft. Dies führt dazu, dass in Wien das Geld allein bestimmt, wer in der Kunst- und Kulturszene sichtbar sein darf, was indirekt den Mainstream fördert.
Der Verein „Freies Plakat“ wurde von einer Gruppe Wiener Ankündigungsunternehmer:innen (alle Mitglieder der Fachgruppe „Werbung und Marktkommunikation“ der Wirtschaftskammer Wien) im Jänner 2008 gegründet. Ziel des Vereins ist es, diesem De-facto-Monopol entgegenzutreten und einen Zustand herzustellen, der es jeder und jedem (im speziellen Kunst- und Kulturanbieter:innen) auf legale Weise ermöglicht, den öffentlichen Raum für Ankündigungen im Rahmen der österreichischen Rechtsordnung, insbesondere im Rahmen des § 48 Mediengesetz, zu nutzen.
Der Verein Freies Plakat setzt sich ein:
- für faire Wettbewerbsbedingungen am Wiener Plakatmarkt und gegen Monopolisierung;
- für einen fairen Zugang zum öffentlichen Raum für alle;
- für die Schaffung von „freien“ Plakatflächen in ausreichender Zahl, um Kulturinitiativen Konditionen bieten zu können, die für kleine Marketingbudgets leistbar und praktikabel sind.
Die Initiative Freies Plakat positioniert sich als Schnittstelle und Plattform für freie Werbung und freie Kunst und Kultur. Diese tiefe Verankerung in der Kulturszene zeigt sich auch in der Gestaltung der Aktionen – neben den „klassischen“ Formen wie Plakaten, Diskussionen, Publikationen, Inseraten, Filmspots, kommen auch künstlerische Mittel zum Einsatz. So wurde u. a. das Thema in der Aufführungsserie Pornokino (pink zebra theatre) auf die Bühne gebracht, Künstler:innen wie Rudolf Hübl und Julius Deutschbauer nahmen in ihren Werken mehrmals Bezug auf die gegenwärtige Situation des freien Plakatierens, und der Filmemacher Oliver Werani arbeitet derzeit an der Fertigstellung des Dokumentarfilms PLAKATIEREN VERBOTEN!.