EINE FREMDE STADT

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Menschen stehen an einem Tisch, an dem auch Menschen sitzen, und singen, dahinter erkennt man eine Projektion auf einer Stehleiwand

Die konzertante Raum-Performance ist eine Neuadaption des fragmentarisch überlieferten Roman Jura Soyfers So starb eine Partei, der in der Fachwelt als eines der wichtigsten politisch-literarischen Dokumente der österreichischen Zwischenkriegszeit gilt. Jura Soyfer schrieb seinen realistischen Zeitroman unter dem Eindruck der sozial-politischen Spannungen der frühen Dreißigerjahre. In knappen szenischen Skizzen, mit sarkastischem Witz und Humor zeigt er die schleichende Ignoranz, Korrumpierbarkeit und Saturiertheit von Parteifunktionären, genauso wie die Desillusionierung der kleinen Leute. So erschließt Soyfer die Hintergründe, Ursachen und Folgen der gescheiterten Arbeiterrevolte 1934 und macht Zeitgeschichte als mehrschichtiges Drama, das auf die Katastrophe zutreibt, erfahrbar.

Kernpunkte dieses andauernden sozio-theatralen Experimentierprozesses der FLEISCHEREI_mobil sind zum einen die Sprache Soyfers, zum anderen die Auseinandersetzung mit dem performativen Raum und der Rolle des Publikums. Die zentrale Frage im Arbeitsprozess war, wie kann die Distanz zwischen Performenden und Publikum aufgehoben werden, ohne, dass die Inklusion zwanghaft-imperativ verläuft. Ziel war es, einen materiellen und ideellen Raum zu schaffen, der zur Kontemplation und Reflexion anregt – Performance als social transformance.

Die entstandene Performance ist konzipiert für Cafés und offene Räume. Der intime Rahmen des Cafés regt an zur Interaktion; die Darsteller:innen mischen sich unter die Zuschauer:innen, neu vertonte Soyfer-Gedichte, historisches Bildmaterial und ein aktuell im Karl-Marx-Hof gedrehter Film des Ensembles ergänzen die Szenenfolge. Rezitation und Aktion entfalten sich im ganzen Raum, ergänzt von sparsamen Platzwechseln, Liedern, Gruppenaktionen, Chansons der Erzählerin und zeithistorischen Texten.

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Projekt Theater Fleischerei_mobil

1991 als Projekt Theater Wien-New York gegründet, arbeitete das Ensemble zunächst als klassisches experimentelles Theater. Aufgrund von Subventionskürzungen im Zuge der Wiener Theaterreform sah sich die Gruppe jedoch 2004 gezwungen, das Studio aufzugeben und ein leeres Ladenlokal zu beziehen. Bedingt durch den Ortswechsel und geprägt durch die eigenen Erfahrungen mit Kulturhegemonialität und Sozialabbau begann die Gruppe nun konsequent neue sozio-theatrale Formen zu erarbeiten. Durch die Arbeit mit Migrant:innen, Flüchtlingen und unabhängigen Geschäftstreibenden entwickelte das Ensemble ein neues Performance Genre, das unter der Bezeichnung Transformance! radikale Avantgarde-Ästhetik mit Community-Kunst zu einem Theater der sozialen Aktion und Veränderung zusammenführt. Nach einer weiteren Subventionskürzung im Jahr 2011 musste die Gruppe nun auch das umgebaute Ladenlokal, die FLEISCHEREI, verlassen und arbeitet seitdem als FLEISCHEREI_mobil auf Straßen und Plätzen, sowie in verschiedenen Cafés und Bezirksämtern in Wien und gastiert zusätzlich im Ausland.

www.experimentaltheater.com