Festwochen ohne Grenzen

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Die Schamanin der Republik der Liebe trägt ein weißes Laken und einen roten Fuchspelz um den Hals und räuchert das Karton-Funkhaus endlich auch vom bisher übergangenen Austrofaschismus aus und schreit, dass Liebe und Mitgefühl die besten Instrumente dafür sind.
Foto:
Talin Seigmann

Das ganze Programm an einem Abend

Von allen Seiten werden wir gedrängt, mit dem Unsinn aufzuhören, in den Künsten und anderswo. Gerade in der Rhetorik, mit der die Kunst versucht, ihre eigene Relevanz zu behaupten, bemerken wir eine Tendenz, neoliberalen Forderungen nach gnadenloser Effizienz nachzugeben. Musterschüler*innen verhalten sich so, aus Angst vor Liebesentzug.

12. Mai 2025: Ganz Wien ist von den Festwochen besetzt.
Ganz Wien?
Nein, ein kleines, aber mündiges Publikum widersetzt sich dem missionarischen Eifer, mit dem Milo Rau jedes gesellschaftliche Thema an sich zieht und reenacted. Auch die „Republik der Liebe“ braucht eine Opposition.

In monatelanger Recherche arbeiteten wir uns durch Programmtexte, Livestreams, autoritäre Casting-Aufrufe und sämtliche Protokolle der „Wiener Prozesse“ des Vorjahres, auf der Suche nach den Selbstwidersprüchen, die entstehen, wenn sich Intendanten mit 160.000 Euro Jahresgehalt für Revolutionäre halten und die Weltrettung durch Kunst verkünden. Aus diesem Material bauten wir unsere zweistündige Performance, die in sechs Szenen symbolträchtige Scheinhandlungen auseinandernimmt und abklopft. Reenactment des Reenactment oder: ungefragtes Making-of.

Auszüge aus der Setlist:
REDE DES INTENDANTEN LIVE AUS DEM UNBEWUSSTEN
PARASITÄRES REINIGUNGSRITUAL IN ANSCHLUSS AN EIN SCHAMANISTISCHES REINIGUNGSRITUAL
DIE ALLEGORIE DES MARKETINGS SCHREIT DEN RAUM ZUSAMMEN
ICH WILL GAR KEINEN BEIRAT GRÜNDEN
LESEPROBE: DAS BURGTHEATER IST JETZT AUCH KRITISCH
ANLEITUNG ZUR REPUBLIKFLUCHT

12.05.2025 12.05.2025
Die Leseprobe zu Jelineks Burgtheater wird vom Geist von Paula Wessely - live aus der Hölle – unterbrochen und in Der Engel mit der Posaune (den bekannten Selbstentnazifizierungsfilm) verwandelt. Dunkle Bühne mir großer Projektion von Wessely, davor Milo Rau und Mavie Hörbiger als Schattenumrisse beim Abendspaziergang.
Foto:
Talin Seigmann
Zum Abschluss das schweizerdeutsche Halleluja, die Hymne der Republik, vorgetragen von einer Nonne im Zeugenschutzprogramm auf der Flucht vor den Castingdirektoren. Die Bühne ist in rotes Licht getaucht, ein Klavierspieler am Rand platziert, die Nonne trägt schwarz-weiß, im Hintergrund befinden sich die Reste des Burgtheaters.
Foto:
Talin Seigmann

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IG Uneigennützige Gemeinheit

Was passiert eigentlich mit der Kunst, die nicht glaubt, alle Weltprobleme auf einmal zu lösen? Die sich nicht an die Bedingungen der Ausschreibung hält? Die nicht „zum Thema“ passt? Unsere Zusammenarbeit ist ein Versuch diesem „Unpassenden“ Raum zu geben – gegen einen Kunstbetrieb, der Sinn aus marginalisierten Gruppen frackt und sich selbst zur Relevanz gratuliert. Sie handelt ungefragt und ohne Auftrag in Eigeninitiative – denn Kritik besteht aus mehr als nur der Absicht, sie zu üben. Unsere Performances sind praktische Kritik an Institutionen, die ihr Publikum vor allem moralisch zur Gefühlsproduktion zwingen wollen. Als Material dafür dienen unsere eigenen Erfahrungen, sowie Programmtexte, Interviews, Gossip und Theorie.
Die IG besteht aus Sandro Huber und Sophie Anna Stadler.