creampie.
Im Heimatland der Sachertorte, einer Insel der Glückseligkeit, wird generell gern glasiert, paniert, überzogen. Lange Jahre hat die österreichische Kunst damit zugebracht, dagegen anzukämpfen und mit Schaum vor dem Mund wilde Drohungen ausgestoßen – um sich wenig später schrecklich anzubiedern. Wir fangen gleich damit an und widmen dieser schönen Tradition unser Sahnehäubchen:
creampie.
In jedem Land gibt es diese Tabus und blinden Flecken, die entweder übermalt oder gänzlich ausgeblendet werden. Wir setzen dort an, ohne ausfällig zu werden und schlagen die Zuckergussmentalität mit ihren eigenen Waffen:
creampie.

Wir haben die offensive Kunst so satt. Während die österreichischen KünstlerInnen bei jeder Gelegenheit mit ihren Geschlechsmerkmalen winken oder die neuen Malerfürsten darum wetteifern das dümmste Bild der Welt zu malen, stellen wir uns die Frage nach einer inhaltlichen Perspektive. Wir wollen den exhibistionistisch-aggressiven Mist nicht mehr sehen und besinnen uns auf eine Subtilität ohne fadenscheinig zu werden: Scham, Schuld und Schande stoßen den Menschen in sich zurück. Als internalisierte Selbstzüchtigungsmaßnahmen haben sie sich vielerorts breit gemacht, den Menschen vor sich selbst erniedrigt, ihn zum entmenschlichten Teil einer gesellschaftsfähigen, reibungsfreien Normkultur, in der jeder Mensch bei jeder Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht wird, dass es Kultur ist, die den Menschen überwindet, die ihn auszeichnet, aus dem makaberen Schöpfungszirkus heraushebt und veredelt. Das bürgerliche Ideal hat sich breit gemacht. So breit, dass auch die Kunst, die sich lange Zeit als Gegenentwurf verstanden hatte, zerfressen ist vom Hadern mit sich selbst und sich längst kein eigenes Bild mehr macht sondern immer nur einen demonstrativen Gegen-Entwurf, der doch zumeist auf dieselbe Peinlichkeit hinausläuft. Es ist die panische Angst vor dem Gesichtsverlust, die uns in kleinkarierten Rastern denken lässt, die uns zu Handlangern der Aussenansicht verkommen lässt. Diese Gesellschaft ist per se menschenfeinlich, die proklamierte Individualisierung ist eine Farce. Menschen haben jede Selbstwahrnehmung verlernt und begreifen sich selbst schließlich extern. Der Mensch steht vor seinem eigenen Pranger und schämt sich. Grotesk. Als Gegenstand diverser Märchen hat sich die Scham auf allen Erdteilen des Volksmundes bedient und sich in die (Kunst-)Geschichte gefräst. Lucretia hat sich geschämt, Ödipus hat sich geschämt, Judas hat sich geschämt und auch wir schämen uns. Wir schämen uns schon gar nicht mehr nur für uns, sondern auch für alle anderen. Alles ist verpönt und prekär, und unser politisch korrekter Kunstdiskurs im Allgemeinen ist das beste Beispiel für eine tief sitzende Verlegenheit. So wird die Feigheit zur Tugend und niemand stört sich an der zutiefst zynischen Logik der Selbstbevormundung. Während in Seoul das Stillschweigen vorherrscht, beherrschen Stundenhotels das Stadtbild, die dem Unausgesprochenen Platz bieten, wie auch unserer (beinhahe abgeschlossenen) Illustration dieser Gedanken, die wir im Frühjahr 2009 in ebensolchem Seouler Stundenhotel „exibitionieren“ werden. Und wenig später in ähnlichem Ambiente in Wien, wo sich dagegen das „Oriental“ längst als hippe Kunst-Kulisse etabliert hat. Von der unterschiedlichen Rezeption unserer Werke erhoffen wir uns einen tiefgreifenden Einblick in die Idee der Scham als solche. Insofern ist unser Projekt „creampie“ sowohl künstlerisch als auch kulturell und sozialwissenschaftlich relevant.

Schimpf + Schande
Künsterbande
>obers<

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>obers<

>obers< schlägt seinen Schaum kollektiv in einem Ottakringer Atelier. Schon im Sandkasten des Integrationskindergartens türmten sie die ersten Sandkuchen. Verstoßen von den übrigen Kindern fanden sie sich notwendigerweise in der hinterletzten Buddelgrube. Die Einzige, die im Schatten gelegen war. Und der Morgentau hielt sich so hartnäckig, dass der Sand noch am Nachmittag brettlhart war, wie die Skifahrer in Südtirol sagen. Diesem Umstand verdankt sich aber auch die Haltbarkeit ihrer babylonischen Hochzeitstorte.

Katharina Opara (*1980) wächst in Polen auf und kommt deshalb in den einmaligen Genuss den Kommunismus sowie den Erz-Katholizismus gleichermaßen auskosten zu können. Aus Selbstschutz entwickelt sie eine tiefgreifende Misanthropie. Und um niemanden geradewegs zu verletzten verpackt sie ihre Tollwut lieber in Bilder. Seit sie 2003 den Urlaub von ihrer zweiten Heimat Deutschland mit einer Aufnahmeprüfung verjubelte, Studentin der Akademie der bildenden Künste.

Hubert Weinheimer (*1983) verbringt seine Kindheit im ländlichen Oberösterreich zwischen Haselnusssträuchern und auf weiter Flur. Er bleibt stets primär mit sich selbst beschäftigt und spinnt Fäden zu seinen Abgründen. Theaterstücke. Romanfragmente. Bilder. Musik („das trojanische pferd“). Zwecks potenzieller Reintegration in die Gesellschaft studierte er Soziologie und hadert zurzeit bezüglich seiner Zukunft – als braver Bürger?

Moon Youn Hee (*1982) wird in Seoul geboren, das sie aufgrund einer göttlichen Eingebung ihrer Mutter verlassen muss. Gott hatte sie dazu bestimmt in Wien Cello zu studieren. Gott hatte sich geirrt. 2006 macht sie ihr Malerei-Diplom an der Akademie der bildenden Künste Wien und bangt seither um ihren Aufenthaltsstatus.

Yoo Han-Suk (*1982) ist unsere koreanische Bastion. Sie verteidigt sie tapfer mit Skulpturen und Zeichnungen. Sie studierte bildende Kunst in Korea und macht sich seitdem auch als Illustratorin verdient. Inhaltlich wie auch stilistisch stellt sie damit einen Kontrapunkt zu >obers< dar. Schamkultur wird in den verschiedenen Kulturkreisen unterschiedlich gelebt und doch hat sie sich überall verwirklicht und verselbständigt. Aufgrund unserer unterschiedlichen Sozialisation ist es uns möglich, die Thematik aus drei verschiedenen Perspektiven zu bebildern. Wir betrachten die oberösterreichische Provinzvariante, die polnisch/kommunistisch/katholische Einheitsscham und die koreanisch/asiatische Kultur der Demut. So unterschiedlich die Muster unserer Kindheit auch sind, so effektiv haben sie uns doch jedem auf seine/ihre Weise einen Stock in den Arsch gerammt. Zwecks Aufrichtigkeit.