„Denn nahe, viel näher, als ihr es begreift“

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Eine Frau und ein Mann, die einander vor einem gelben Plakat umarmen

Das Theaterkollektiv FLEISCHEREI_mobil veranstaltet im Jubiläumsjahr 2012 einen Jura Soyfer Zyklus in den Amtshäusern Wiens (2., 3., 4., 5., 6., 7., 8., 9.,10., 13. und 15. Bezirk). Dieser umfasst Filmvorführungen, Konzerte, Lesungen sowie die theatrale Installation „Was draußen lag, war Fremde“, eine Dramatisierung des aus dem Exil geretteten Romans „So starb eine Partei“ (1934). In dem Textfragment schildert Soyfer nicht nur die Genese der gescheiterten Arbeiterrevolte in Wien 1934, sondern analysiert auch in einem prophetischen Szenario Aufstieg und Fall der SDAP (Sozialdemokratischen Partei), das Anwachsen des Austrofaschismus und Nazismus und das schrittweise, verhängnisvolle Zurückweichen progressiver gesellschaftlicher Kräfte vor dieser Gefahr; ein Szenario, das bis heute wohl nichts an Aktualität verloren hat. Das Programm wird site-spezifisch adaptiert für die Architektur der jeweiligen Amtshäuser.
2012 jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag des bedeutendsten politischen Dramatikers Österreichs: Jura Soyfer, der 1938 vertrieben, erst in den 80er Jahren wieder entdeckt wurde und bis heute auf den österreichischen Bühnen nicht angekommen ist. Der Soyfer-Zyklus der FLEISCHEREI_mobil nimmt dies zum Anlass, ihm, der den Großteil seines Lebens in Wien verbrachte, in seiner „Heimatstadt“ einen Zyklus von Veranstaltungen zu widmen: eine Leben und Werk angemessene Hommage auf den radikal politischen Dichter/Dramatiker/Aktivisten – nicht als ortsübliches Spektakel auf einer großen Bühne zu initiieren, sondern als site-spezifische theatrale Intervention in den Gängen, Hallen und Büros der Bezirkshäuser und Ämter Wiens, den sozialen Kontexten der „kleinen Leute“, die er in seinen Stücken porträtierte und denen er sich verpflichtet fühlte.

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Projekt Theater FLEISCHEREI_mobil

Die FLEISCHEREI wurde 2004 als alternativer, aktionistischer Protest-, Lern- und Handlungsraum für kulturelle Nahversorgung eröffnet. Seitdem wurden in rascher Folge neue Performance-Projekte und soziotheatrale Experimente mit Bezug zum Bezirk, neue Spielformate und Arbeitsweisen in Kooperation von Migant:innen, Künstler:innen, Asylwerber:innen und NGOs entwickelt, der öffentliche Raum „besetzt“ bzw. ritualisiert – in Umzügen auf der Straße, über Performances in Auslagen, Hinterhöfen, Parks und auf Märkten. Die FLEISCHEREI, seit dem Auszug aus den Räumen in der Kirchengasse 1070 mit dem Namen FLEISCHEREI_mobil nomadisierend unterwegs, begann 2011 eine neue Etappe und verband diese mit der neuen Arbeitsform Transformance. Dies bedeutet eine weiterführende Öffnung zu lokalen Communities, sowie die Gewinnung neuer Publikumsschichten im öffentlichen Raum. Im Zentrum steht dabei nicht Einzigartigkeit und Hochstabsprung einzelner Künstler:innen und Projekte, sondern Vielfalt und Diversität der Gruppe.
www.experimentaltheater.com/