Essen ist etwas Alltägliches, ein Ritual, es hält Leib und Seele zusammen, ist grundlegendes Bedürfnis und Genuss gleichermaßen. Vor allem aber hat Essen eine soziale Funktion, es drückt Zusammengehörigkeit und Nähe aus, ist eine Zeit des Austauschs und der Kommunikation. Wie groß der integrative Faktor des Essens ist, zeigt sich vor allem, wenn man daran denkt, was Nicht-Essen bedeutet: häufig ist es eine Form des Widerstands, der Ausgrenzung. Soziale und kulturelle Einflüsse lassen sich im Essen dokumentieren und sichtbar machen. In einem Zeitraum von mittlerweile einem Jahr haben wir uns ausführlich mit den Ess- und Lebensgewohnheiten von 20 Familien, allesamt BewohnerInnen der Gemeindebau-Siedlung „Am Schöpfwerk“ im 12. Bezirk Wiens befasst. In der Wohnhausanlage leben heute in etwa 1.650 Wohnungen rund 4.700 Menschen, zum Teil kinderreiche Familien mit geringem Einkommen. Viele davon kommen aus anderen Ländern und sind österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen geworden. Beim gemeinsames Kochen und Essen der Lieblingsgerichte von Angehörigen unterschiedlichster Kulturen, sozialer Schichten und Generationen, schuf sich uns ein äußerst vielfältiges Bild an Lebensweisen. Die gesammelten Rezepte, Momentaufnahmen und Lebensgeschichten ergeben ein mit Illustrationen, Zeichnungen, Collagen, Fotografien und Texten gestaltetes Buch, das Mitte November 2006 im Folio-Verlag in einer Auflage von 1000 Stück erscheinen wird. Das Projekt konnte in Kooperation mit dem Stadtteilzentrum Bassena (Am Schöpfwerk), sowie Wolfgang Schlag und dessen Projektreihe The Next Vienna im Rahmen des Festivals New Crowned Hope, das der US-Regisseur Peter Sellars auf Einladung der Stadt Wien im Mozart-Jahr 2006 verantwortet, realisiert werden. Im Rahmen von Soho in Ottakring 2006 konnten wir bereits die bis dahin entstandenen Fotografien und Illustrationen in der Gebietsbetreuung Ottakring, sowie im Café C.I. ausstellen. Die Präsentation des Buches wird am 7. Dezember 2006 im Künstlerhaus stattfinden. Zusätzlich wird es Mitte Dezember ein Fest im Stadtteilzentrum Bassena geben. Künstlerische Arbeit setzt sich mit dem privaten und öffentlichen Leben im urbanen Bereich auseinander und spricht Fragen des Zurechtfindens in der „neuen Heimat“, Gegensätze zwischen Tradition und Anpassung, das Vorhandensein unsichtbarer Mauern, Mechanismen der Ausgrenzung und das Zusammentreffen von Kulturen innerhalb dieses verdichteten Wohnraums an. Rituale, Rollenverteilungen und Prozesse innerhalb der Familien als Aktionsgemeinschaften, die auf die jeweiligen Umstände des Lebens reagieren, werden ebenso thematisiert. Im Kochen finden sich unterschiedlichste Zugänge. Kochrezepte werden oft in der Familie gelernt, sind aber nicht unbedingt einer Tradition entsprungen. In den Küchen und Kochgewohnheiten der SchöpfwerkbewohnerInnen lassen sich Anzeichen von Hybridisierung lesen, erkennt man neue Mischformen. So würzt eine nigerianische Köchin ihr Gericht mit einer chinesischen Gewürzmischung und da ein philippinischer Mann keine Arbeit findet, ist er es, der in dem sonst nur für Frauen zugelassenen Bereich der Küche die Familie bekocht. Kochen ist aufgrund seiner elementaren Bedeutung für jede(n) ein Anknüpfungspunkt, um Austausch und kommunikative Prozesse sowohl unter allen Projektbeteiligten als auch unter denjenigen, die das Buch erwerben, anzuregen.
Das Schöpfwerkkochbuch
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Einreichende Person / Gruppe
Eva Engelbert, Marlene Hausegger, Tina Oberleitner, Roswitha Weingrill
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