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Eine Hausfassade, auf der man das Wort "Mauerrutsch" erkennen kann

MAUERRUTSCH ist eine künstlerische Intervention während Renovierungsarbeiten in der Heinestraße 30, 1020 Wien.
Vorgefundene Leuchtbuchstaben des ehemaligen Lebensmittelhandels BAUER wurden durch Eigeninitiative restauriert. Rückstände und Buchstaben formieren nun das Wort MAUERRUTSCH. Assoziationen zu der Geschichte des Hauses gewähren Einblicke hinter die Fassade: Denn MAUERRUTSCH bezieht sich nicht nur auf die Baustelle vor Ort. Ältere Wienerinnen berichten von Erinnerungen aus den Kriegstagen – Schutt zerbombter Häuser wurde an den Straßenrand geschoben und diente im Winter zum herunterrutschen.

Vor dem Jahr 2001 war der Lebensmittelhandel Bauer in dem Geschäftslokal ansässig – dieses wurde für etwa fünf Wochen von einem jüdischen Geschäftsmann, der mit ALLES KOSCHER warb, übernommen, kurz nach Übernahme jedoch aus unbekannten Gründen untertauchte.
Seither steht das Lokal leer.
Bald werden die Leuchtbuchstaben durch ein Baugerüst ersetzt sein. Bis dahin erinnern sie an 50 Menschen, die bis zum 28. Juni 1942 an dieser Adresse wohnten, deportiert und in Wien bzw. Theresienstadt am 30. Juli 1942 ermordet wurden.

Durch die unmittelbare Nähe meines Wohnortes wurde ich auf die alten, völlig desolaten Buchstaben FLEISCH und WURST an der Fassade in der Heinestraße 30 aufmerksam. Ein Rückstand eines alten Schildes mit der Aufschrift BAUER war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor Ort, ist jedoch immer noch als Spur an der Fassade sichtbar.
Mich interessiert die Geschichte des Hauses. So habe ich durch Recherchen unter anderem herausgefunden, dass an dieser Wohnadresse 50 jüdische Personen 1942 deportiert wurden.

MAUERRUTSCH sollte die Geschichte des Hauses beinhalten – und sichtbar machen.

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Christina Starzer

*1982, St. Pölten
2000 final exam BG & BRG St. Pölten
2002 conservation and restoration practices in Rossatz/ Lower Austria, Palais Ferstel/ Vienna
2002–2003 studies of art history at the University of Vienna
2005–2009 studies of sculpture & multimedia/ Erwin Wurm/ University of Applied Arts, Vienna
2002–2009 Artistic Sciences/Art Education and Communication/Art and Communicative Practice/ Textiles-Free, Applied and Experimental Artistic Design/Erwin Wurm & Barbara Putz-Plecko /University of Applied Arts Vienna

Ich arbeite oft mit vorgefundenen, historischen Elementen, um sie in neuen Kontext zu setzen. Rückstände kehren oft in Form von Invertierungen wieder. So habe ich im Laufe der Zeit die Technik der Tirage entwickelt (siehe Text von Carl Aigner im digitalen Katalog, sikoronja.com/buch), oder jene der Prêtage.